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Reich Ranicki lehnt den deutschen Fernsehpreis ab

Begonnen von norwin, 15. Oktober 2008, 00:46:10

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norwin

Vor ein paar Tagen hat Marcel Reich Ranicki, einer der bedeutendsten, wenn nicht der bedeutendste Literaturkritiker den deutschen Fernsehpreis abgelehnt. In der Kategorie Ehrenpreis.
Endlich mal einer der sagt wie es ist. Köstlich, denn kurz vorher war nämlich unter anderem etwas so "spitzenmäßiges" wie Popstars und die Ausreißer und anderer Mist Preisgekrönt worden. Das muss man sich mal vorstellen!
Hier das Video dazu. http://de.youtube.com/watch?v=KWuinyJgKew
Sage nicht immer, was Du weißt, aber wisse immer, was Du sagst!


Doomhammer

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Cicerus

Ja die hat er! Einfach nur genial! :)

Und er hat soooooooooo was von recht.

Valenium

respekt  :clap
gute aktion, und recht hat er auf jedenfall

Elvana

Elvana - Runenpriesterin

Doomhammer

ich würd mich das nicht trauen glaub ich :D

aber er hat nen sehr guten ruf...der kann sich das leisten ;)
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Breakman

#6
Hier mal ein Kommentar von DWDL.de

Zitat(12.10.2008) Reich-Ranickis verbaler Schlag ins Gesicht der versammelten Fernsehbranche wird im Internet bereits viel bejubelt. Nicht ganz zu Recht, findet DWDL.de-Chefredakteur Thomas Lückerath. Und trotzdem müsse man Reich-Ranicki danken.

Welch Ironie: Ausgerechnet der Dieter Bohlen der Literaturkritik schlug am Samstagabend mit seiner Kritik am deutschen Fernsehen wieder einmal so derart über die Stränge, dass sich alle über ihn empörten - und Marcel Reich-Ranicki wieder sichtlich glücklich ganz in seinem Element war. Dabei wäre es nicht verkehrt gewesen, handfeste Kritik am Deutschen Fernsehpreis zu üben.

Doch Reich-Ranicki machte aus seiner Rede gleich eine Pauschal-Kritik am deutschen Fernsehen, die eins beweist: Er kennt das deutsche Fernsehen, durch das er selbst erst große Berühmtheit erreichte, nicht mehr. Seine Kritik am gesamten deutschen Fernsehen anhand einiger fragwürdiger Auszeichnungen bei der 10. Verleihung des Deutschen Fernsehpreises - sie ist willkürlich. Denn auch in der Literatur kann ich an die falschen Bücher geraten - und würde nicht auf die Idee kommen, den Buchdruck oder das Medium zu verteufeln.

Reich-Ranickis Kritik ist ein Paradebeispiel dafür, wie wichtig Medienkompetenz inzwischen ist. Die aktive Selektion des Guten aus sehr viel Schlechtem gehört nicht nur im Fernsehen, auch in Print- und Online-Medien zu einer Fähigkeit, die durch ein immer größer gewordenes Angebot gelernt werden muss. Reich-Ranickis (digitale) Medienwelt scheint sehr begrenzt - und wer will es ihm im Alter von 88 Jahren auch verübeln.

Doch bei aller berechtigter Kritik an vielen Formaten im deutschen Fernsehen: Es war nie so gut wie heute. Nie gab es eine breitere Auswahl an Programmen, die nicht zwingend auf den großen Kanälen laufen und deshalb oft außerhalb der Wahrnehmung des breiten Publikums liegen. Doch sie sind da, auch wenn der Müll drumherum ebenso schnell wenn nicht sogar schneller wächst. Immerhin: Der Deutsche Fernsehpreis hat mit einer Auszeichnung in diesem Jahr einen bemerkenswerten Underdog geehrt. Und mit der Kategorie "Bester Auslandsreporter" schaffte man sogar zusätzliches seriöses Gewicht.

Doch auf der anderen Seite lieferte der Deutsche Fernsehpreis in diesem Jahr mit der völlig überflüssigen Kategorie "Beste Reality" natürlich eine Steilvorlage für Kritik an dem Branchenpreis, der inzwischen oftmals nicht mehr ganz ernst genommen wird. Zu beliebig scheinen manchmal die Preisträger, zu offensichtlich die Taktik mancher Preisvergabe - wie übrigens auch in diesem Jahr bei einer Personenkategorie. Das allerdings hätte jemand kritisieren müssen, der sich damit auskennt.

Wer sich die Liste der Nominierten oder eben nach der Übertragung der Verleihung manchen Gewinner anschaut, der sollte zweimal überlegen, ob man bei Reich-Ranickis Pauschalkritik am deutschen Fernsehen wirklich vorbehaltlos applaudieren kann. Inhaltlich schlug er - wie man es von ihm gewohnt ist - einfach zu deutlich über die Stränge und traf nicht nur die Preisverleihung. Doch aus einem Grund kann man Reich-Ranicki eigentlich nicht genug danken: Durch seinen Auftritt lag beim Deutschen Fernsehpreis erstmals so etwas wie Spannung und Dramatik in der Luft.

Eine Frage wäre noch zu klären: Wie kam man überhaupt auf die Idee, Marcel Reich-Ranicki auszuzeichnen? So mancher hatte am Samstagabend den gleichen Gedanken. Offen zitiert werden wollte damit allerdings niemand.

Und wer sich darüber hinaus informieren möchte:

Zitat(15.10.2008) Im Web sind Pornografie und Wissen nur einen Klick voneinander entfernt; am Kiosk liegen "Coupe" und "Geo" nicht weit auseinander. Doch eine Qualitätsdebatte gibt es dort nicht: Nur dem Fernsehen wird eine Diskussion aufgedrängt, weil immer noch viele Zuschauer nicht mit der Fernbedienung umgehen können.

Das schlechte Fernsehprogramm zu kritisieren - es kommt immer mal in Mode. Dabei ist solche Kritik in pauschaler Art und Weise völlig haltlos. Ohne Diskussion. Denn das deutsche Fernsehen war nie vielfältiger, sogar besser als heute. Mit inzwischen weit über hundert Fernsehprogrammen findet sich für jeden Geschmack etwas. Wer sich über schlechtes Programm beschwert, sollte vielleicht zur Fernbedienung greifen und einfach umschalten. Das ist die Macht des Zuschauers. Doch da kommt die Überraschung: Die Mehrheit schaut ausgerechnet die Sendungen, die Marcel Reich-Ranicki und manch anderer Intellektueller so abscheulich findet. Dabei wären jeden Tag Alternativprogramme verfügbar. Man mag es kaum glauben, aber Arte würde sich bestimmt nicht gegen mehr Zuschauer wehren. Ja, nur warum schaltet bloß niemand um?

Vielleicht liegt es daran, dass das Fernsehen auch ein Medium zur Zerstreuung und zur Unterhaltung ist - da unterscheidet man sich nicht vom gedruckten Buch. Das müsste übrigens Marcel Reich-Ranicki selbst wissen: Immerhin gab es gedruckte Groschenromane vor Telenovelas und Comics vor TV-Cartoons. Es gibt kein Genre, das es nicht gedruckt schon gegeben hätte, bevor das Fernsehen es adaptierte. Es gab selbst fragwürdige Ratgeber- und Servicebücher bevor es Dokusoaps und Servicemagazine gab. Lieber Herr Reich-Ranicki: Die Literatur ist nicht nur Shakespeare, Goethe und Co.

Niemand aber würde sich hinstellen und die Literatur deshalb verteufeln. Vielleicht auch, weil das Fernsehen inzwischen eine ungleich größere Relevanz im Alltag vieler Menschen hat als die Literatur. Wohlgemerkt nicht wenn es um Bildung oder Recherche geht - und gut heißen muss man es auch nicht. Doch in der Unterhaltung spielt Literatur derzeit für die breite Masse eine untergeordnete Rolle. Vielleicht ist das der Grund für die giftigen Kommentare einer gefrusteten Elke Heidenreich, die Deutschland einfach lieber lesend als fernseh-schauend erleben würde?

Warum muss sich das Fernsehen jetzt also einer Qualitätsdebatte stellen? Und Literatur, Zeitschriftenmarkt oder Internet nicht? Es gibt zwei Gründe dafür. Zunächst einmal liegt es sicher daran, dass kein anderes Medium noch immer so konzentriert wahrgenommen wird. Obwohl es längst eine enorme Vielfalt an Fernsehangeboten gibt, definieren immer noch wenige große Sender - nach Meinung des Publikums und messbar durch Einschaltquoten - das, was als Deutsches Fernsehen wahr genommen wird. Dass die Vielfalt nicht genutzt wird - es liegt entweder daran, dass die Mehrheit der Deutschen das TV-Programm als doch nicht so schlimm empfindet oder es kann seine Fernbedienung nicht bedienen.

Das Fernsehen ist - so zeigt es die erhitzte aktuelle Diskussion - derzeit ganz offensichtlich das Leitmedium. Wobei dies nicht zwingend für die journalistischen Leistungen gilt. Hier haben die Printmedien noch die Nase vorn. Doch das ändert sich: Das große Defizit des Fernsehens als Informationsmedium war bislang die nicht permanente Verfügbarkeit der Informationen, die bislang, einmal zu einer bestimmten Zeit gesendet, versendet waren. Es war nicht praktikabel; nicht nachzuhalten. Doch durch die Verbindung von Fernsehen und Internet, zum Beispiel durch die Mediatheken, wird die Stärke des Fernsehens - das Bewegtbild - zu einer ebenfalls jederzeit verfügbaren Informationsquelle, die dem gedruckten Wort stärker Konkurrenz machen kann. Vielleicht trägt auch das mittelfristig zur Stärkung des Mediums Fernsehen - egal ob auf herkömmlichen Übertragungswegen oder via IPTV - bei.

Doch schon jetzt gibt es - um konkret zu werden - genügend gute Programme im deutschen Fernsehen. Wer zum Beispiel sogar werbefrei und öffentlich-rechtlich informiert und unterhalten werden will, hat inzwischen mit einem üblichen digitalen Kabelanschluss oder digitalem Satellitenempfang allein schon Zugriff auf alle öffentlich-rechtlichen Angebote inklusive aller dritten Programme der ARD und sechs Digitalkanälen. Wollen wir wetten, dass Marcel Reich-Ranicki davon noch nie etwas gehört hat? Dass es einen ZDF-Theaterkanal gibt? Oder dass der Bayerischen Rundfunk mit BR Alpha einen eigenen Bildungskanal betreibt?

Wer unter Qualität im Fernsehen wiederum eher beste US-Serien versteht, der findet auf den großen Vollprogrammen aber inzwischen auch auf eigenen PayTV-Kanälen wie Fox oder bald TNT Serie hervorragende Produktionen mit ausgezeichneten Drehbüchern, die dem großen Hollywood-Kino in Optik und Erzählung inzwischen kaum noch in etwas nachstehen. Oder wie wäre es mit Dokumentationen? Da gibt es privatwirtschaftliche Sender wie Discovery Channel, History Channel, National Geographic Channel und Co. Inzwischen teilweise auch in hochauflösender Qualität. Ob Herr Reich-Ranicki weiß, was HDTV ist? Selbst Musikfernsehen ist dank Deluxe Music inzwischen frei von Moderation, Dokusoaps und Klingeltonwerbungen. Und mit Classica gibt es einen eigenen Klassik-Sender. Für jeden Geschmack findet sich inzwischen ein eigenes Programm: Von Animal Planet über Focus Gesundheit bis zu werbefreien Kinderprogrammen für jedes Alter - ja sogar als FreeTV von den Öffentlich-Rechtlichen.

Mangelnde Qualität? Nein, das deutsche Fernsehen bietet so viel Qualität wie nie zuvor. Das Problem ist nur: Man kann die ganze Fülle nicht mehr passiv konsumieren. Man muss sie aktiv selektieren. Eigentlich eine Eigenschaft, die man am Kiosk oder auch im Internet voraussetzt. Nur beim Fernsehen schiebt man es der Mediengattung zu, weil es bislang vielleicht Gewohnheit war, dass man sich mit dem begnügen musste, was wenige Programmverantwortliche ausgesucht hatten. Dass beim Deutschen Fernsehpreis meist nur die Programme der großen Sender betrachtet werden - es hat einen Grund: Viele Programme auf den kleineren Kanälen sind lediglich eingekauft. Deswegen werden sie nach derzeitigem Statut des Fernsehpreises nicht ausgezeichnet. Aber die Berücksichtigung der großen Sendervielfalt wird in den kommenden Jahren die größte Herausforderung des Preises, wie Fernsehpreis-Organisatorin Petra Müller schon vor der diesjährigen Verleihung gegenüber DWDL.de ankündigte.

Dass in diesem Jahr dennoch Sendungen wie "Deutschland sucht den Superstar" ausgezeichnet wurden, ist auch bei denen, die das deutsche Fernsehen gegen die haltlose Kritik von Reich-Ranicki verteidigen, nicht unumstritten. Wer hier nur schwarz-weiß malen will, macht es sich zu einfach. Doch man kommt um eine Erkenntnis nicht herum: Diese Sendung holt hervorragende Einschaltquoten. Mit anderen Worten: Das Publikum entscheidet sich dafür. So bleibt am Ende die diskussionswürdige Frage: Wieso fixiert sich die Mehrheit der deutschen Fernsehzuschauer noch immer auf den wenigen Vollprogrammen? Die Vielfalt drum herum ist jedenfalls gegeben. Sie müsste nur genutzt werden. Doch gerade das scheint für viele Zuschauer noch eine Herausforderung zu sein: Sie müssen eben, wie schon betont, vom passiven Konsumenten zum aktiven Nutzer werden.

Medienkompetenz ist das Wort der Stunde. Wer unter Fernsehen weiterhin nur das Zappen zwischen den wenigen Vollprogrammen versteht, hat das Medium nicht verstanden - oder er ist schlicht zufrieden mit dem, was ihm auf den ersten Tasten seiner Fernbedienung geboten wird. Wer sich nur darüber aufregt, wann welche Sendung programmiert wird und die Kritik an Sendezeiten für gewisse Genres oder Programmabläufen festmachen will, dem sei gesagt: Willkommen im Jetzt. Dank Internet, dank VoD und einer unglaublichen Sendervielfalt gibt es längst diverse Wege und Zeiten sich das anzuschauen, was man sehen will. Fernsehen ist längst nicht mehr der Programmdirektor, der vorschreibt was wann zu sehen ist. Man muss eben nur bereit sein, seine Mediennutzung aktiver zu gestalten. Und schlechte Progamme, die es zweifelsohne immer noch zahlreich gibt, kann man ganz einfach abstrafen: Mit der Fernbedienung.

Glaubt man all den Umfragen, die gemacht werden, so wollen die deutschen Fernsehzuschauer ja sowieso nur Dokumentationen und Reportagen im Fernsehen sehen. Und ihr Lieblingssender? Natürlich stets Arte. Was würde man sich dort freuen, wenn jeder der dies behauptet, auch einschalten würde. Doch reden und handeln - es sind auch bei der Fernsehnutzung zwei unterschiedliche Dinge. Verlogene Kritiker, verlogenes Publikum.



Also nicht alle gleich Beifall klatschen, wenn da so ein Opa mal bisschen rotiert... ;)